Kapitel 13: Parteiverbot

Parteiverbote sind die schärfste Waffe gegen verfassungsfeindliche Parteien. In der Praxis stellen sie aber die Ausnahme dar.
Parteiverbote sind die schärfste Waffe gegen verfassungsfeindliche Parteien. In der Praxis stellen sie aber die Ausnahme dar.
Wie man an der verschwindend geringen Zahl von Parteiverbotsverfahren und der noch geringeren Zahl tatsächlicher Verbote sieht, ist diese Maßnahme eine absolute Ausnahme. Ein Verbot ist ausschließlich wegen Verfassungsfeindlichkeit zulässig und erfordert ganz erhebliche Beweise gegen die Partei.

Dabei reicht eine Ablehnung der gegenwärtigen Verfassung alleine nicht aus. Eine Partei darf sich selbstverständlich für Änderungen des Grundgesetzes einsetzen. Sie darf sogar eine komplett neue Verfassung für Deutschland fordern; dies ist im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen (siehe Art. 146 GG). Verfassungsfeindlichkeit meint alleine ein Bekämpfen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Und auch dieses Bekämpfen muss über ein reines „Ändernwollen“ hinausgehen. Es muss mit einer aggressiv-kämpferischen Grundhaltung einhergehen, die die Grundfesten des demokratischen Staates erschüttern will. Wir nehmen an, dass kein Leser dieses Buches ernsthaft vorhat, eine Partei zu gründen, die auch nur in die Nähe eines solchen Verbotsverfahrens kommen könnte.

Im übrigen handelt es sich bei der Einleitung eines Verbotsverfahrens auch um eine politische Entscheidung, die aus praktischen Gründen voraussetzt, dass die Partei auch eine reale Gefahr für die Demokratie darstellt, also zumindest eine gewisse Größe besitzt.

Die neueste Entscheidung zu Parteiverboten ist das zweite NPD-Verfahren (Az. 2 BvB 1/13), das einige ganz neue Prämissen für Parteiverbote aufgestellt hat und in vielerlei Hinsicht Grundlage für diesen Teil der FAQ war:

Wer entscheidet, ob meine Partei legal ist?

Eine solche Prüfung ist nicht vorgesehen.

Jede Partei muss grundsätzlich als legal behandelt werden, solange sie nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten wurde, sog. Parteienprivileg. Ein solches Verbotsverfahren ist äußerst selten. In der Bundesrepublik gab es bisher nur zwei erfolgreiche Verbotsverfahren (Sozialistische Reichspartei und Kommunistische Partei Deutschlands), zwei Verfahren wurden eingestellt, weil die „Parteien“ keine Parteien im Sinne des Parteiengesetzes (siehe oben) waren und dann gab es schließlich noch das (in zwei Anläufen) gescheiterte Verbotsverfahren gegen die NPD.

Was ist die Rechtsgrundlage für ein Parteiverbot?

Art. 21 Abs. 2 GG besagt:

Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

Was sind die Ziele einer Partei?

Ziele der Partei sind alle faktischen Bestrebungen der Partei. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Ziele im Mittelpunkt oder nur am Rande der politischen Tätigkeit stehen. Das Programm der Partei gibt einen Anhaltspunkt für deren Ziele, allerdings kann es nicht alleine als Grundlage herangezogen werden. Auch nicht ausdrücklich niedergeschriebene Ziele können hier relevant sein.

Wer sind die Anhänger der Partei?

Anhänger der Partei sind alle Personen, die für die Partei eintreten oder sie unterstützen, unabhängig davon, ob sie Mitglieder sind.

Welche Tätigkeiten der Parteianhänger sind relevant?

Grundsätzlich ist jedes auf die Partei bezogene Tätigwerden der Anhänger im Verbotsverfahren zu berücksichtigen.

Allerdings muss differenziert werden, ob es der Partei zuzurechnen ist:

  • Verhalten von Parteifunktionären (Vorstandsmitglieder, Mandatsträger) ist regelmäßig zuzurechnen. Diese machen ja gerade die Partei aus sind für diese auch repräsentativ.
  • Verhalten von einfachen Mitgliedern und andere Anhängern ist zuzurechnen, wenn dieses mit Bezug auf die Parteitätigkeit erfolgt ist, z.B. auf Veranstaltungen. Will die Partei sich dieses dann nicht zurechnen lassen, muss sie sich ausdrücklich davon distanzieren.

Was ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung?

Zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in dem Sinne, den Art. 21 Abs. 2 GG meint, gehören (nur) die zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind.

Das sind insbesondere

  • die Menschenwürde inklusive dessen, dass alle Menschen grundsätzlich gleiche Rechte gegenüber dem Staat haben;
  • das Demokratieprinzip inklusive der gleichberechtigten Teilhabe der Bürger an der Willensbildung und der Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk;
  • das Rechtsstaatsprinzip inklusive der Kontrolle durch die Gerichte und des weitgehenden Gewaltverbots für Staatsorgane.

Der Begriff ist damit enger als der in Art. 79 Abs. 3 GG festgelegte Verfassungskern.

Was bedeutet „darauf ausgehen“?

Die Partei geht auf eine Beseitigung der FDGO aus, wenn sie planvoll Handlungen vornimmt, die zu einer Gefährdung der Verfassungsordnung führen sollen.

Dabei muss es zwar nicht konkret bevorstehen, aber zumindest möglich erscheinen, dass die Partei mit ihrem Vorhaben Erfolg haben wird. Eine Kleinstpartei ohne realistische Machtperspektive kann die freiheitliche Demokratie nicht erschüttern und muss daher auch nicht verboten werden.

Muss der Staat damit abwarten, bis eine Partei zur echten Gefahr wird?

Das war ein häufiger Kritikpunkt am Urteil: Solange eine Partei unbedeutend ist, darf sie nicht verboten werden. Wenn sie aber erst mächtig ist, wird man sie nicht mehr verbieten können.

Diese Befürchtung ist so nicht ganz korrekt. Denn der Staat muss nicht darauf warten, bis es zu spät ist. Aber es muss zumindest eine gewisse Gefahr für die FDGO bestehen. Das wäre also bereits dann gegeben, wenn die Partei Einfluss auf die Politik nehmen kann, bspw. dadurch, dass ihre Vorhaben in andere Parteien hineinwirken.

Welche Alternativen zum Parteiverbot gibt es?

Das Parteiverbot soll, das hat das erwähnte Urteil klar gemacht, nur die allerletzte Möglichkeit, die ultima ratio, sein.

Daneben kann der Staat aber, wie die Richter ausdrücklich als zulässig angesehen haben,

  • verfassungsfeindlichen Parteien die Finanzierung streichen (jetzt Art. 21 Abs. 3 GG);
  • mit geheimdienstlichen Mitteln auch Parteien überwachen;
  • polizei- und ordnungsrechtlich gegen verfassungsfeindliche Pläne vorgehen;
  • Straftaten durch Parteianhänger verfolgen.

Sind Straftaten von Parteianhängern relevant?

Ja, aber nur, wenn sich diese gegen die FDGO richten.

Ist Gewalt notwendig?

Nein, die Partei muss weder Gewalt anwenden noch androhen, um verfassungswidrig zu sein. Auch eine Betätigung auf legalem, demokratischem Weg kann zu einem Verbot führen.

Dürfen auch parlamentarische Äußerungen berücksichtigt werden?

Ja.

Zwar gilt grundsätzlich das Prinzip der Indemnität, wonach Abgeordnete wegen Wortmeldungen im Parlament nicht strafrechtlich oder disziplinarisch verfolgt werden dürfen (Art. 46 GG). Dies bezieht sich aber lediglich auf persönliche Nachteile für den Abgeordneten.

Demgegenüber steht aber das Interesse des Staates, verfassungswidrige Parteien zu erkennen und die FDGO zu schützen. Die Ziele und Grundsätze der Partei spiegeln sich in Parlamentsreden oft besonders gut wider.

(Letzte Aktualisierung: 17.01.2023)

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