Einmal mehr hat mich eine ganz interessante Anfrage erreicht, die ich in größerem Rahmen behandeln will als in der kurzen Form der unmittelbaren FAQ. Diese lautet kurz gefasst:
Gibt es eine Grenze, bis zu der eine Partei über einen Aufnahmeantrag entschieden haben muss? Oder kann sie Antragsteller auch „ewig“ warten lassen? Wäre das dann nicht eine unzulässige, verdeckte Aufnahmesperre, wenn die Partei einfach keinen ausdrücklichen Beschluss fasst?
Schauen wir uns zunächst einmal die maßgeblichen Bestimmungen des Parteienrechts an.
Gesetzliche Bestimmungen
§ 6 Abs. 2 Nr. 2 PartG besagt:
Die Satzungen müssen Bestimmungen enthalten über
Aufnahme und Austritt der Mitglieder
§ 10 Abs. 1 Satz 1 bis 3 PartG:
Die zuständigen Organe der Partei entscheiden nach näherer Bestimmung der Satzung frei über die Aufnahme von Mitgliedern. Die Ablehnung eines Aufnahmeantrages braucht nicht begründet zu werden. Allgemeine, auch befristete Aufnahmesperren sind nicht zulässig.
Das Gesetz selber verrät nicht viel zum Aufnahmeverfahren. Die wesentliche Regelung wird der Satzung übertragen.
Konkret gefragt wurde nach der Aufnahmesperre und ob ein „Aussitzen“ von Aufnahmeanträgen hiergegen verstößt.
Bedeutung einer Aufnahmesperre
Dazu muss man zunächst einmal thematisieren, wie eine Aufnahmesperre überhaupt wirkt:
Typischerweise handelt es sich dabei um ein von der Parteiführung (z.B. vom Bundesvorstand) verfügtes Verbot an die zuständigen Parteigliederungen (z.B. die Kreisverbände), neue Mitglieder aufzunehmen. Das die Sperre verfügende und das über die Aufnahme entscheidende Organ fallen also in der Regel auseinander.
Die in § 10 Abs. 1 Satz 3 PartG geregelte Unzulässigkeit einer Aufnahmesperre führt dann dazu, dass eine solche Verfügung des (in unserem Beispiel) Bundesvorstands unwirksam ist und die Kreisverbände nicht binden kann. Diese können also jeden Aufnahmeantrag frei entscheiden und ablehnen oder annehmen.
In der Frage wird aber unterstellt, dass die zuständigen Organe nicht entscheiden. Das wiederum ist etwas anderes als eine Aufnahmesperre, denn hier wird keinem anderen Organ die Aufnahme verboten, sondern das Organ handelt selber – bzw. es handelt gerade nicht. Vereinfachen wir die Frage zunächst etwas und nehmen an, dass die Anträge nicht liegengelassen, sondern unmittelbar abgelehnt werden.
Kann nun bspw. ein Kreisvorstand entscheiden, für einen gewissen Zeitraum keine Aufnahmeanträge mehr positiv zu bescheiden? Auch dabei handelt es sich wohl dem Wortlaut nach um eine unzulässige Aufnahmesperre. Aber was ist die Rechtsfolge? Durch den Beschluss kann sich der Kreisvorstand nicht selber binden, er muss also weiterhin über jeden Aufnahmeantrag entscheiden.
Das Organ kann dann aber gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 „frei“ über die Aufnahme entscheiden. Wenn der Kreisvorstand dann bei jedem Aufnahmeantrag aus individuellen Gründen zu dessen Ablehnung kommt, ist das zulässig. Wenn der Kreisvorstand Aufnahmeanträge gar nicht mehr entscheidet, ist das unzulässig. Aber es gibt es keinen Automatismus, wonach die unzulässige Ablehnung eines Mitgliedsantrags gleichbedeutend mit einer Aufnahme ist.
Fristregelungen
Gibt es nun eine Frist, innerhalb derer über den Aufnahmeantrag entschieden werden muss?
Das Gesetz kennt eine solche nicht, jedenfalls findet sich weder im Parteiengesetz noch im BGB eine derartige Regelung. § 6 Abs. 2 Nr. 2 PartG verlangt wohl nur, dass das Verfahren der Aufnahme von Mitgliedern geregelt werden muss, das bedeutet aber nicht, dass auch eine Bearbeitungsfrist festgelegt werden muss.
Einige Parteien haben solche Regelungen aber tatsächlich aufgenommen:
- So sieht die CSU einen Erwerb der Mitgliedschaft vor, sofern der Ortsvorsitzende nicht innerhalb eines Monats dem Antrag widerspricht. Im Falle des Widerspruchs entscheidet der gesamte Ortsvorstand, wobei es für diese Beschlussfassung keine Frist mehr gibt. (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 der CSU-Satzung)
- Bei der CDU muss innerhalb von vier Wochen eine Ablehnung erfolgen, sonst ist der Antrag angenommen. (§ 5 Abs. 1 letzter Satz der CDU-Bundessatzung)
- Ebenso bei der SPD, wobei eine Frist von einem Monat gilt. (§ 3 Abs. 1 Satz 3 SPD-Organisationsstatut)
- Linken-Mitglied wird man, wenn nach sechs Wochen kein Einspruch des Kreisvorstands vorliegt und – überraschend kapitalistisch – der Beitrag bezahlt wurde. (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Bundessatzung Die Linke)
Sofern es keine derartige Regelung gibt, kann eine solche aber sicher nicht konstruiert werden. Eine Nichtentscheidung hat somit keine rechtliche Bedeutung.
Durchsetzung einer Entscheidung
Denkbar wäre, dass der Mitgliedschaftsinteressent einen Anspruch auf eine zeitnahe Entscheidung über seinen Antrag hat. Welchen Zeitraum man hierfür ansetzen muss, ist schwer zu sagen. Ungefähr ein Monat könnte ein erster Anhaltspunkt sein, da dies eben einige Parteien so vorsehen. Allerdings spricht einiges dafür, diese Frist deutlich zu verlängern, wenn es gerade keine Regelung in der Satzung gibt.
Nach bspw. zwei oder drei Monaten könnte er dann also auf eine Entscheidung klagen. Zuständig wäre grundsätzlich die Parteischiedsgerichtsbarkeit, sofern diese auch Nichtmitgliedern Klagerechte einräumt, ansonsten die staatliche Zivilgerichtsbarkeit.
Besonders praxisnah ist eine solche Vorgehensweise aber nicht. Kaum jemand wird es wollen, dass am Anfang seiner Parteikarriere erst einmal ein juristisches Verfahren steht. Ich kenne auch keine derartigen Urteil von Schieds- oder staatlichen Gerichten
zusammenfassung
Zusammengefasst gilt also:
- Auch die planmäßige Nichtbearbeitung von Aufnahmeanträgen stellt eine unzulässige Aufnahmesperre dar.
- Die Nichtbearbeitung von Aufnahmeanträgen hat grundsätzlich keine Rechtsfolge, insbesondere keine automatische Annahme.
- Die Satzung kann aber vorsehen, dass ein Aufnahmeantrag als angenommen gilt, wenn nicht innerhalb einer gewissen Frist eine Ablehnung erfolgt.
- Auf die Bearbeitung eines Aufnahmeantrag kann ggf. geklagt werden.