Im Parteiordnungsverfahren können parteiinterne Sanktionen gegen ein Mitglied verhängt werden. Die schwerwiegendste Sanktion insoweit ist der Parteiausschluss, durch den die Mitgliedschaft des Betroffenen in der Partei endet und damit auch alle Mitgliedsrechte erlöschen.
Welche Voraussetzungen müssen für einen Ausschluss vorliegen?
§ 10 Abs. 4 des Parteiengesetzes stellt dafür folgende Voraussetzungen auf:
1. Entweder
a) vorsätzlicher Verstoß gegen die Satzung oder
b) erheblicher Verstoß gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei
2. und dadurch Zufügung eines schweren Schadens für die Partei.
Was darunter jeweils zu verstehen ist, sehr strittig und allgemein kaum zu beantworten. Im Endeffekt wird man auf den Einzelfall abstellen müssen. Dabei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass der Ausschluss das schärfste Mittel ist, also nur bei schwereren Verstößen gegen die Parteidisziplin Anwendung finden sollte.
Rechtfertigt ein unabsichtlicher Verstoß ein Ausschlussverfahren?
Davon kann man ausgehen. Denn der gerade zitierte § 10 Abs. 4 PartG sieht sowohl einen vorsätzlichen als auch einen erheblichen Verstoß gegen Parteigrundsätze als ausreichend an. Vorsatz und Erheblichkeit stehen nebeneinander. Müsste auch der „erhebliche Verstoß“ vorsätzlich sein, bräuchte es diese zusätzliche Erwähnung nicht.
Bei einem nicht vorsätzlichen Verstoß wird man aber regelmäßig besonders genau prüfen muss, ob dadurch wirklich ein schwerer Schaden aufgetreten ist.
Was ist ein schwerer Schaden?
Ein Schaden kann in materieller oder immaterieller Hinsicht vorliegen.
Ein materieller Schaden ist ein finanzieller Verlust für die Partei, weil Einnahmen ausbleiben, Zahlungsverpflichtungen entstehen oder Vermögenswerte verloren gehen. Dies ist bspw. der Fall, wenn Parteigelder unterschlagen werden oder wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten Strafgelder durch den Bundestagspräsidenten verhängt werden.
Ein immaterieller Schaden liegt vor, wenn die Partei an Ansehen oder Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit verliert.
Ob der Schaden dann auch schwer ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Insoweit kommt es nicht nur auf die eigene Sicht der Partei an, sondern auch auf die objektive Wirkung.
Kann die Satzung Ausschlussgründe festlegen?
Die gesetzliche Regelung der Ausschlussgründe ist grundsätzlich als abschließend anzusehen. Die Satzung kann also keine darüber hinaus gehenden Ausschlussgründe vorsehen.
Möglich ist aber wohl eine Definition der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen. Die Satzung kann also schon festlegen, welches Verhalten als Ordnungsverstoß anzusehen ist, wann ein Schaden als schwer wiegend anzusehen ist etc. Derartige Festlegungen sind aber stets darauf zu prüfen, ob sie sich noch innerhalb der gesetzlichen Regelung befinden.
Rechtfertigt dann das Nichtbezahlen des Mitgliedsbeitrags überhaupt ein Ausschlussverfahren?
Ja, da die Partei sonst kein anderes Mittel hätte, chronische Nichtzahler loszuwerden.
Die Beitragssäumigkeit ist ein Verstoß gegen die Satzung, die in aller Regel eine Beitragspflicht vorsieht. Dieser ist jedenfalls dann als vorsätzlich anzusehen, wenn trotz Mahnung keine Zahlung erfolgt.
Ein schwerer Schaden liegt damit zwar im engeren Wortsinne nicht vor, da die Partei nicht pleite geht, wenn ein Mitglied nicht bezahlt. Aus diesem Grund wird die Schwere des Schadens in Relation zur persönlichen Pflicht gesehen. Da die Beitragszahlung die wesentlichste Pflicht des Mitglieds ist, ist deren Verletzung auch als schweres Fehlverhalten und schwere Schädigung der Partei zu werten.
Rechtfertigen Meinungsäußerungen einen Parteiausschluss?
Das kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.
Mehr Informationen dazu: Die Meinungsfreiheit im Parteiausschlussverfahren
Welches Verfahrensregeln sind für ein Ausschlussverfahren einzuhalten?
Der Ausschluss kann nur durch ein Verfahren vor dem Schiedsgericht beschlossen werden. (§ 10 Abs. 5 Satz 1 PartG) Der Vorstand kann ein Mitglied also keinesfalls selbst ausschließen, sondern lediglich einen Antrag auf Durchführung eines Verfahrens vor dem Schiedsgericht stellen.
Gegen das Urteil des ersten Schiedsgerichts muss es die Möglichkeit der Berufung an ein Schiedsgericht höherer Ordnung geben. (§ 10 Abs. 5 Satz 2 PartG)
Ist noch unklar, ob man Schiedsgerichte auf der nachgeordneten Ebene flächendeckend einrichten kann, ist zu überlegen, ob man nicht zwei Instanzen auf Bundesebene einführt (siehe Wie viele Schiedsgerichte braucht eine Partei?)
Was kann man tun, wenn keine zwei Schiedsgerichts-Instanzen bestehen?
Grundsätzliche sollte jede Partei unbedingt dafür sorgen, dass es zwei Instanzen gibt. Damit kann man sich viele Unannehmlichkeiten ersparen.
Besteht aber nur ein Schiedsgericht, so muss dieses wohl oder übel das Verfahren durchziehen. Die Entscheidung des Gerichts ist zwar trotzdem grundsätzlich gültig, allerdings kann es sein, dass der Ausgeschlossene dann vor ein staatliches Gericht zieht und dieses die gesamte Entscheidung überprüft.
Ist ein ordentliches Schiedsverfahren mit Berufungsinstanz durchgeführt worden, überprüft ein eventuell angerufenes staatliches Gericht nur noch, ob das Verfahren an sich korrekt durchgeführt wurde. Ob die Entscheidung so richtig ist oder ob man vielleicht zu einer anderen Beurteilung kommen könnte, interessiert dieses Gericht dann nicht mehr.
Was genau bedeutet „Berufung“ in diesem Fall?
Im staatlichen Prozessrecht ist Berufung eine Überprüfung des Urteils auf Tatsachenfehler, während die Revision nur prüft, ob das Gericht das Recht korrekt angewandt hat.
Ob dies auch auf das Schiedsgerichtsverfahren angewandt werden kann, ist fraglich. Sicherheitshalber sollte die zweite Instanz das komplette Verfahren grundsätzlich neu durchführen.
Wie funktioniert eine Suspendierung?
Der Vorstand kann beschließen, dass ein Mitglied seine Rechte nicht mehr ausüben kann. (§ 10 Abs. 5 Satz 4 PartG) Dies erfolgt durch Vorstandsbeschluss, der dem Betroffenen schriftlich mitgeteilt werden soll. Solange der Beschluss nicht aufgehoben ist, wird der Betroffene wie ein Nichtmitglied behandelt, darf also nicht mitstimmen und darf (je nach Satzung) möglicherweise nicht einmal an Veranstaltungen der Partie teilnehmen.
Welche milderen Maßnahmen gegen Mitglieder sind möglich?
Möglich sind vielerlei andere Ordnungsmaßnahmen, üblich sind folgende:
1. Verwarnung ohne weitere Folgen
2. Enthebung von bestimmten Parteiämtern
3. Verbot, bestimmte Parteiämter für eine bestimmte Zeit zu bekleiden
Wer kann diese Ordnungsmaßnahmen anordnen?
Das muss die Satzung regeln, normalerweise ist es der Vorstand, der hierfür zuständig ist.
Welchen Inhalt muss die Satzung dafür haben?
Die Satzung muss die möglichen Ordnungsmaßnahmen aufzählen und sollte zumindest grob beschreiben, für welches Fehlverhalten diese Maßnahmen zulässig sind. (§ 10 Abs. 3 PartG)
Welche Verfahrensregeln sind dafür einzuhalten?
Es muss die Möglichkeit geben, gegen die Entscheidung das Schiedsgericht anzurufen. Dies ergibt sich daraus, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 PartG grundsätzlich alle Streitigkeiten zwischen der Partei und Mitgliedern dem Schiedsgerichtsverfahren unterwirft. In diesem Verfahren ist aber keine Berufungsmöglichkeit verpflichtend.
Sind Ordnungsmaßnahmen durch die staatlichen Gerichte nachprüfbar?
Das Verhältnis zwischen der Partei und ihren Mitgliedern ist grundsätzlich ein zivilrechtliches. Wenn ein Mitglied der Meinung ist, dass die Partei durch Ergreifen einer Ordnungsmaßnahme in seine Rechte eingegriffen hat, kann das Mitglied Klage zum Zivilgericht (Amtsgericht oder Landgericht) erheben.
Ob dies für einfach Ordnungsmaßnahmen schon gilt, ist umstritten. Jedenfalls wird dies kaum jemals relevant.
Bedeutsamer ist dies vielmehr bei der höchsten Sanktion des Parteienrechts, dem Parteiausschluss. Dieser kann, nachdem der parteiinterne Rechtsweg durchlaufen wurde, vor den staatlichen Gerichten angefochten werden.
Dies bedeutet aber nicht, dass das Ausschlussverfahren vor dem Zivilgericht fortgesetzt oder wiederholt wird. Denn die Parteigerichtsbarkeit soll ja gerade die Unabhängigkeit der Partei vom Staat sichern. Die politischen Parteien haben einen von Art. 21 GG vorausgesetzten Freiraum. Umgekehrt verlangt aber die demokratische Verfasstheit der Parteien und ihre Mitwirkung an der Staatsgewalt, dass sich diese nicht beliebig ihrer Mitglieder entledigen können. Auch die Mitglieder haben eigene Rechte auf Mitwirkung in der Partei.
Die Rechtsprechung folgert daraus, dass die Ausschlussentscheidung zwar gerichtlich überprüfbar ist, die Gericht dabei allerdings auf eine sogenannte „Missbrauchs- und Evidenzkontrolle“ beschränkt sind.
Was umfasst die Missbrauchs- und Evidenzkontrolle?
Die staatlichen Gerichte führen in Klageverfahren gegen einen Parteiausschluss eine bloße Missbrauchs- und Evidenzkontrolle durch. Dies beinhaltet also zwei Faktoren:
- Geschah der Ausschluss in missbräuchlicher Weise, sollte also ein Parteimitglied willkürlich seiner Mitgliedsrechte beraubt werden?
- War das Verfahren evident rechtswidrig, wurden also offensichtlich anwendbare Rechtsnormen nicht beachtet?
Hierfür werden folgende Prüfungsschritte vorgenommen:
- Entsprechen die Vorschriften der Schiedsgerichtsordnung bzw. Satzung der Partei dem staatlichen Recht, insbesondere dem Parteiengesetz?
- Entsprach das Verfahren den danach anwendbaren Parteivorschriften sowie dem staatlichen Recht?
- Wurden die Tatsachen ordnungsgemäß festgestellt, hatte der Betroffene insbesondere das Recht, sich angemessen zu verteidigen?
- Stellt sich der Parteiausschluss als grob unbillig, vorgeschoben oder willkürlich dar?
Weitere Informationen hierzu:
- Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf – Institut für Parteienrecht, MIP 2015 (ab Seite 13)
- Albert-Ludwigs-Universität Freiburg – Manfred Löwisch: Der Ausschluß aus politischen Parteien
(Letzte Aktualisierung: 21.01.2024)